CO2-Bilanz - Teil 2 - Restbudget und Erlanger Klimanotstand

Veröffentlicht am 12. Mai 2024 um 14:43

Zusammenfassung

Die Wiesengrunde kritisieren, dass die StUB die baubedingten CO2-Emissionen bei zunehmender Klimaneutralität des Verkehrssektor nicht amortisieren kann. Diese Kritik ist insofern inhaltlich falsch, als das die StUB und der ÖPNV-Ausbau eine der Bausteine zur Erreichung der Klimaneutralität sind. Zudem werden durch die fortschreitende Zielerreichung im Industriesektor die baubedingten CO2-Emissionen sinken. Unvermeidbare CO2-Investitionen können schon jetzt technisch kompensiert werden. 

Durch eine solche technische CO2-Kompensation, z.B. mittels Direct Air Capture, können baubedingte Emissionen auch vollständig kompensiert werden. Die Frage nach der Berücksichtig des CO2-Restbudgets stellt sich dann nicht.

 

Die Wiesengrundfreunde kritisieren ebenso, dass die StUB nicht zum Erlanger Klimanotstand passt und verweisen dazu auf die Grundlagenstudie. Stattdessen fordern sie kurzfristige, alternative Maßnahmen. Die Grundlagenstudie zum Klimanotstand fordert jedoch explizit ambitionierte, in einem gesamtheitlichen Maßnahmenplan integrierte Projekte. Der Bau bzw. Ausbau (!) der Stadt-Umland-Bahn wird explizit als Verkehrsinfrastrukturmaßnahme aufgeführt. Warum aus gesamtheitlicher Sicht auch der StUB-Westast erforderlich ist, erläutere ich in meiner Position zu diesem Faktencheck.

 

Einleitung

Dieser Faktencheck setzt sich mit der von den Wiesengrundfreunden aufgebrachten Problematik auseinander, dass sich Infrastrukturprojekte in einem Szenario mit zunehmender Klimaneutralität des Verkehrssektors nicht mehr amortisieren können.

Dazu werde ich nacheinander auf folgende Punkte eingehen:

  • Das Reduktionsszenario zur Klimaneutralität und die dafür erforderlichen Maßnahmen,
  • Die Reduktion und Kompensation der baubedingten CO2-Emissionen.

 

Abschließend prüfe ich, ob die Kritik der Wiesengrundfreunde berechtigt ist, dass die StUB nicht zum Erlanger Klimanotstand passt.

Zu diesem Faktencheck beziehe ich zudem wieder Position. In dieser gehe ich auf die von den Wiesengrundfreunden vorgeschlagenen Maßnahmen ein und beziehe insbesondere zum Thema StUB-Westast Stellung.

 

StUB vs. "Weiter so"-Szenario

Auf Ihrer CO2-Bilanz zeigen die Wiesengrundfreunde eine Grafik, die die CO2-Emissionen aus dem Bau der StUB dem Reduktionsszenario aus dem ursprünglichen Klimaschutzgesetz gegenüberstellt. (Siehe Bildzitat in Teil 1). Diese sieht, mit den CO2-Emissionen des Zweckverbands gerechnet, ungefähr so aus:

Eigene Darstellung. Anteilige Reduzierung der CO2-Emissionen ab 2030 bis 2045 auf 0.

Diese Grafik stellt den Verlauf der CO2-Emissionen dar, wenn die Emissionen aus dem motorisierten Individualverkehr MIV gesetzeskonform bis 2045 auf 0 sinken würden.

 

Reduktionsziele Klimaschutzgesetz und Restbudget

Dadurch, dass der Verkehrssektor seine Klimaziele bisher verfehlt hat und das Klimaschutzgesetz die Sektorziele zu Gunsten eines sektorübergreifenden Gesamtziels aufgeweicht hat, ist diese blaue Kurve praktisch hinfällig.[tagesschau.de][tagesschau.de][umweltbundesamt.de][mdr.de]

Um diese blaue Kurve zu erreichen, hätte es jedoch einer Vielzahl von Maßnahmen gebraucht.[umweltbundesamt.de] Dazu gehören laut Umweltbundesamt, neben aktiver gesetzlicher Regulierung wie einem Tempolimit oder die verursachergerechte Bepreisung, auch folgende Maßnahmen:

  • Bausteine 1 und 2: Die Elektrifizierung von Pkw, leichten und schweren Nutzfahrzeugen.
  • Baustein 6: Stärkung des Schienenverkehrs mit Erhalt, Neu- und Ausbau der Schieneninfrastruktur, um die Kapazität zu erhöhen.
  • Baustein 7: Ausbau des Umweltverbunds und von Sharing-Angeboten, insbesondere der Ausbau des ÖPNV und der Rad- und Fußwege.

Für all diese Maßnahmen sind Investitionen notwendig, die erst einmal einen (einmaligen) CO2-Ausstoß verursachen. Zudem werden die Reduktionsziele des Verkehrssektors nur im Gesamtmix erreicht, während die Wiesengrundfreunde sie ausschließlich auf den MIV beziehen. Diesbezüglich schränkt das Umweltbundesamt ein, dass "die Emissionsminderungen in anderen Bausteinen nicht erreicht [werden], wenn die Stärkung klimaverträglicher Verkehrsmittel nicht gelingt".[umweltbundesamt.de] Dementsprechend ist ein Vergleich der StUB gegen dieses Reduktionsszenario falsch, da die StUB einen der Bausteine zur Erreichung dieses Reduktionsszenarios darstellt.

 

Jedoch ergibt sich das Problem, dass mit fortschreitender Zielerreichung der Klimaschutzziele die Amortisationsdauer von Infrastrukturprojekten immer weiter ansteigt. Dementsprechend wird es in Zukunft erforderlich sein, die CO2-Emissionen für solche Infrastrukturprojekte zu reduzieren und zu kompensieren. Hierbei kommen zwei Mechanismen zum Tragen:

  • Die Klimaziele des Industriesektors, zu dem auch die Bauwirtschaft und damit der Bau von Verkehrsinfrastruktur gezählt wird.[Vgl. Anlage 1 des KSGs] So gibt es bereits Beton der Festigkeitsklasse C35/45, wie er im Tunnelbau eingesetzt wird, bei der die CO2-Emissionen nur noch 164kg/m³ anstatt 244kg/m³ betragen.[oekobaudat.de][STUVA_2022, S.21]
  • Die CO2-Emissionen können durch direkte CO2-Kompensation ausgeglichen werden (Carbon Capture and Storage, kurz CCS).[umweltbundesamt.de] Das Umweltbundesamt listet als einen der Industriezweige mit unvermeidbarer CO2-Emission die Zementherstellung. Die Kompensationskosten z.B. mittels Direct Air Capture werden je nach Technologie künftig auf ca. 230 bis 540 US-Dollar geschätzt. [ethz.ch][Sievert et al. 2024] Die von Climateworks derzeit betriebene Anlage in Island kann 4.000t CO2/Jahr aus der Atmosphäre mit Kosten von 1.000 bis 1.300 US-Dollar abscheiden. Damit liegt der Preis für technische CO2-Kompensation künftig unter dem CO2-Preis von 670 Euro/t aus der standardisierten Bewertung.[BMDV_Stand.Bew._Anhang1, S. 19][BMDV_Stand.Bew._Anhang1, S. 26]

Das bedeutet, dass die baubedingten CO2-Emissionen in Zukunft sinken werden oder bereits sinken. Die übrigen CO2-Emissionen können bereits jetzt technisch kompensiert werden. Das stellt jedoch keinen "Freibrief dar", um nicht ressourcenschonend zu bauen. Der Vermeidung von CO2-Emissionen ist Vorrang vor der Kompensation zu geben.[umweltbundesamt.de]


Für die StUB würde eine direkte Kompensation Stand jetzt ca. 61.688.000 USD bis 104.252.720 USD kosten. Mit dem Umrechnungskurs vom 03.05. wären das 57.369.840 bis 96.955.029,6 Euro (1 USD = 0,93 Euro). Mit größeren Direct Air Capture-Anlagen können sich die Kosten für eine direkte CO2-Kompensation der StUB halbieren.

 

StUB im Kontext Erlanger Klimanotstand

Kommunales Restbudget

Das kommunale CO2-Restbudget der Stadt Erlangen wird, wie auch in anderen deutschen Kommunen, nach dem BISKO-Standard bilanziert.[Erlangen2021, S. 8] Die BISKO-CO2-Bilanz ist endenergie-basiert und wird an den Verbrauchsstellen der Kommune gemessen, für die die CO2-Bilanz erstellt wird.[Umweltbundesamt2020, S. 19] Dementsprechend wird die sogenannte graue Energie, die beim Bau der StUB entsteht, nicht vollkommen in Erlangen bilanziert, sondern nur Teil, der nach dem Territorialprinzip in Erlangen anfällt. Die CO2-Emissionen (bzw. THG-Emissionen) aus der Herstellung der Materialien werden dementsprechend in der herstellenden Kommune bilanziert.

Eine vollständige Bilanzierung der StUB in Erlangen würde demnach dem Territorialprinzip widersprechen und zu einer Doppelbilanzierung der gleichen Emission führen.

Maßnahmen aus der Grundlagenstudie

Die Wiesengrundfreunde und andere fordern anstelle der StUB schnelle Sofortmaßnahmen und beziehen sich dabei auf die Grundlagenstudie zum Erlanger Klimanotstand.[wiesengrundfreunde.de] Sie fordern dabei unter anderem einen Ausbau von Ridesharing als schnelle Sofortmaßnahme.

 

In der Grundlagenstudie zum Erlanger Klimanotstand wird eine Verkehrsverlagerung auf den Umweltverbund und komplementäre Car- und Ridesharing-Angebote gefordert.[Erlangen2020, S. 118] Dabei sieht die Grundlagenstudie explizit die Reduzierung der Vorrangstellung des Pkws vor.[Erlangen2020, S. 51][Erlangen2020, S. 63 - S.68][Erlangen2020, S. 111] Es soll eine grundlegende Verkehrswende weg von der Pkw-Nutzung hin zum Umweltverbund stattfinden.[Erlangen2020, S. 63 - S.68] Dementsprechend sieht die Studie Car- und Ridesharing-Angebote nur komplementär zum Umweltverbund vor. Die geforderte Schaffung von Grünflächen in Verkehrswegen und eine Flächenentsiegelung kann eine Straßenbahn auf Rasengleis leisten, jedoch nicht ein Bussystem.[Erlangen2020, S. 65][Erlangen2020, S. 75]

 

In der Grundlagenstudie wird dabei gefordert, dass es keine Sowohl-als-auch-Politik geben darf. Dazu gehört der konsequente Vorrang des Umweltverbundes vor dem Individualverkehr und der Pkw-Nutzung.[Erlangen2020, S. 66] Ebenso wird gefordert, dass anstelle kleiner Maßnahmen ("Klein-Klein") ambitionierte Maßnahmen und Projekte umgesetzt werden.[Erlangen2020, S. 96] Damit werden kurzfristige Sofortmaßnahmen eigentlich ausgeschlossen, wenn sie als Ersatz für langfristige, ganzheitliche Maßnahmen wie die StUB dienen sollen. Der Bau bzw. Ausbau (!) der Stadt-Umland-Bahn wird explizit als Verkehrsinfrastrukturmaßnahme für die Transformation zu einer klimagerechten Stadt aufgeführt.[Erlangen2020, S. 123]

 

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