Veraltete Straßenbahn vs. Transportsystem Bögl/Magnetschwebebahn

Veröffentlicht am 17. März 2024 um 04:00

Kritiker bringen immer wieder das Argument an, dass man mit der StUB auf ein veraltetes System setzen würde. Sie werfen in dem Raum, dass eine Magnetschwebebahn, z.B. nach dem System Bögl viel moderner und damit sinnvoller wäre. Doch was ist da dran?

Ist das System Straßenbahn veraltet?

Richtig ist, dass die Straßenbahn bzw. das sogenannte Rad-Schiene-System alt ist. Damit ist es jedoch auch bewährt. Ähnlich wie viele bewährte Technologien (Fortbewegung mit Rädern, Auto, Elektrizität, Turbine) wurde es kontinuierlich weiter entwickelt, z.B. im Bereich der Radprofile und Spurführung oder der Leit- und Sicherungstechnik. Schienenfahrzeuge von heute sind nur schwer mit früheren Schienenfahrzeugen vergleich. Insbesondere moderne Niederflurstraßenbahnen sind schon nur schwer mit ihren jeweiligen Vorgängergenerationen vergleichbar. Moderne Fahrzeugtypen wie der für die StUB vorgesehene Siemens Avenio [Siemens Avenio NBG] sind besonders leise und besonders gleisschonend [Siemens 2010] . Gleisschonend bedeutet auch niedrige Rollgeräusche. Ebenso sind sie energiesparender als ältere Straßenbahnen, klimatisiert, barrierefrei, bieten moderne Fahrgastinformationssysteme und halten moderne Crashnormen ein.

Das System Straßenbahn kann also nur in dem Aspekt "es wird ein altes Prinzip, mit Stahlrädern auf Stahlschienen zu fahren", als alt gelten. Als veraltet kann es objektiv jedoch nicht betrachtet werden, da es in allen Aspekten dem aktuellen Stand der Technik entspricht.

Randnotiz: Weltweit, vor Allem jedoch in Europa werden in den letzten Jahren neue Straßen- und Stadtbahnsysteme gebaut oder ausgebaut. Zu den Hintergründen möchte ich hier auf den Wikipedia-Artikel zur Renaissance der Straßenbahn verweisen. Jüngere, erfolgreiche Beispiele sind das Stadtbahnsystem Karlsruhe, die zugehörige Stadtbahn Heilbronn, die Erweiterung der Straßenbahn Ulm und die schrittweise Umsetzung der Regionalstadtbahn Neckar-Alb.

Was ist das Transportsystem Bögl (TSB)?

Das Transportsystem Bögl (wikipedia / Bögl) ist ein Magnetschwebebahnsystem, das von der Firma Bögl entwickelt wurde. Es wurde für den Nahverkehr entwickelt und hat eine betriebliche Höchstgeschwindigkeit von 150km/h (technisch 169 km/h). Die Firma Bögl betreibt eine Teststrecke in Sengenthal und Chengdu, in denen das System getestet und vorgestellt wird.

Vom Eisenbahnbundesamt (EBA) wurde zugesichert, dass wesentliche Teile von Fahrzeug, Fahrweg und Leittechnik die Anforderungen des EBA erfüllen und zulassungsfähig sind [HIMA 2021]. Das System hat nach meiner Kenntnis derzeit, außer dieser Zusicherung, noch keine Zulassung. Welche Einschränkungen das EBA in diesen Zusicherungen vorgenommen hat ("wesentliche Teile"), ist nicht bekannt.

Wie stehen die beiden Systeme im Vergleich da?

Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr, kurz BMDV, hat 2020 eine Machbarkeitsstudie zum Einsatz neuer Verkehrsmittel in Auftrag gegeben, bei der der Einsatz des TSB im Nahverkehr untersucht wird [BMDV 2021][BMDV 2021_Teil 1]. Mangels praktischer Erfahrungswerte beim TSB muss für einen Systemvergleich auf diese Studie als einzige Quelle abgestellt werden. Den Vergleich werde ich aufteilen in einen Vergleich der technischen Parameter und der Baukosten (je Kilometer). Da die Studie zudem einzelne erwähnenswerte Einschränkungen sowie handwerkliche Fehler enthält, werde ich diese ebenfalls aufzeigen.

Fehler und Einschränkungen der Studie

  • als Maximalwert der Fahrweglängsneigung (Steigung) wurde in den Systemvergleich der Studie für die Straßenbahn 4% angesetzt [BMDV 2021_Teil 1, S. 35]. Tatsächlich entspricht dies dem sogenannten Regelwert bei der Planung. Die StUB wird ebenfalls mit einem Regelwert von 4% geplant, sowie einem Grenzwert von 6% [RMF_2020, S. 6.]. In Ulm hat die Straßenbahn Steigungsabschnitte mit 7,7% Steigung, auch dort werden Avenios eingesetzt.
  • die im Systemvergleich angegeben Höchstgeschwindigkeiten stimmen sowohl für Straßenbahnen, U-Bahnen als auch Eisenbahnen (inkl. S-Bahnen) nicht. [BMDV 2021_Teil 1, S. 37] Die Höchstgeschwindigkeit für Straßenbahnen wird in der BOStrab nicht beschränkt. Lediglich für das Fahren auf Sicht ergibt sich nach §49 BOStrab eine Begrenzung auf 70km/h, darüber ist ein Fahren nach Signalen mit Zugsicherung erforderlich. In vielen Stadt- und U-Bahnsystemen wird dementsprechend schneller gefahren, so auch bei der U-Bahn Nürnberg. Praktisch scheint die Grenze aktuell bei 80 km/h nach BOStrab zu liegen, zumindest sind mir höhere Geschwindigkeiten nur aus nach EBO gewidmeten Strecken bekannt (Stadtbahn Köln, Stadtbahn Karlsruhe, Citybahn Chemnitz). In Deutschland gibt es bereits seit den 80ern Eisenbahnstrecken, deren zugelassene Geschwindigkeit bei über 250 km/h liegt.
  • Im Systemvergleich wird die Leistungsfähigkeit pro Stunde für das TSB im Extremfall mit der technischen Zugfolgezeit von 80 Sekunden gerechnet, bei den anderen Systemen jedoch mit den typischen linienbezogenen Zugfolgezeiten des Fahrplans. [BMDV 2021_Teil 1, S. 53 -S. 54.] Tatsächlich ergeben sich durch Linienüberlagerungen im Straßenbahnbereich z.B. im neuen Stadtbahntunnel Karlsruhe auch fahrplanmäßig Zugfolgezeiten von nur 124 Sekunden.
  • Die Werte hinsichtlich Energieverbrauch, Bau- und Betriebskosten wurden den Autoren der Studie mangels bisheriger praktischer Erfahrungen durch den Hersteller des TSB (Firma Bögl) zur Verfügung gestellt. Ob diese realistisch sind, kann auf Grund der bisher fehlenden praktischen Erfahrung aus Nahverkehrsprojekten mit dem TSB nicht eingeschätzt werden. [BMDV 2021_Teil 1, S. 53 -S. 61.][BMDV 2021_Teil 1, S. 137.]

Auf Grund dieser Einschränkungen muss bei der Interpretation des folgenden Systemvergleichs davon ausgegangen werden, dass der Vergleich leicht zu Gunsten des TSB verzerrt ist.

Technischer Systemvergleich

Hier werden die für einen vergleich relevanten Parameter wie die Höchstgeschwindigkeit, Beschleunigung etc. aufgelistet. Auf die Angabe von Parametern wie Wannenradien, maximale Seitenbeschleunigungen, Stoßbeschleunigungen etc. habe ich verzichtet.

Parameter Straßenbahn TSB
Höchstgeschwindigkeit 70 km/h (StUB) 150 km/h
Beschleunigung 1,3 m/s² 1,3 m/s²
kleinster Radius (Grenzwert) 25m (StUB) 45m
größte Steigung (Grenzwert) 6% (StUB) 10%*
Einzugsbereich Haltestelle Kernbereich** 400 600
Einzugsbereich Haltestelle hohe Nutzungsdichte** 500 600

Werte TSB nach [BMDV 2021_Teil 1], Werte StUB nach [RMF_2020] außer wenn anders angegeben oder oben korrigiert.

*Herstellerangabe, Zulassungsfähigkeit nicht bekannt.

**Einzugsbereiche nach dem Nahverkehrsplan Nürnberg. [NVP_Nürnberg_2017] Einordnung TSB als U-Bahn bzw. S-Bahn.

Das TSB erlaubt zwar theoretisch eine ebenerdige Führung, jedoch sind niveaugleiche Kreuzungen wie Bahnübergänge nicht möglich. [BMDV 2021_Teil 1, S. 129] Die Trasse muss z.B. durch einen Zaun gegen das Be- und Übertreten gesichert werden.

 

Systemvergleich Infrastrukturkosten

Quelle für beide Tabellen: [BMDV 2021_Teil 1, S. 137 - S. 138] 

Tabelle 18 nach BMDV_2021_Teil 1
Tabelle 19 nach BMDV_2021_Teil 1

Wie wäre ein Einsatz in Erlangen zu bewerten?

Eine Führung des TSB müsste in Erlangen auf Grund der notwendigen Querung zahlreicher Straßen, Fußgänger- und Radwege grundsätzlich entweder aufgeständert oder im Tunnel erfolgen. Eine aufgeständerte Bahnstrecke würde sehr stark ins Stadtbild eingreifen, deutlich stärker als die Oberleitung einer Straßenbahn. Nehmen wir eine Führung analog zur StUB an, um die gleiche Erschließungswirkung zu entfalten, müsste die Streckenführung im Stadtgebiet im Tunnel erfolgen, da die Kurvenradien sonst nicht auslangen. Somit würden die Baukosten schon laut dieser Studie und Herstellerangaben zum TSB mindestens gleichbleiben (Oberer Wert Regelbauform) oder um den Faktor 1,3 (unterer Wert Regelbauform) bis 4,67 (Oberer Wert zweigl. Tunnel TSB vs. Regelbauform Straßenbahn) teurer werden. Die CO2-Bilanz wäre durch den aufgeständerten Bau (effektiv eine durchgehende Brücke) oder den notwendigen Tunnel ebenfalls deutlich schlechter als die der StUB.

 

Das TSB könnte seinen Systemvorteil mit der höheren Geschwindigkeit im Anwendungsfall Erlangen kaum ausspielen:

  • die Kurvenradien und resultierende Seitenbeschleunigung begrenzen die Höchstgeschwindigkeit auf ähnliche Werte im Bereich von Zwangspunkten (Regnitzquerung, Führung in Erlangen)
  • Durch den nur wenig höheren erforderlichen Haltestellenabstand kann das TSB nur einen geringen Fahrzeitvorteil aus seiner höheren Geschwindigkeit erzielen.

 

Hinzu kommt, dass die StUB derzeit so geplant wird, dass sie die bestehende Wartungsinfrastruktur der VAG nutzt. Dementsprechend ist in der Planung der StUB kein zusätzlicher Betriebshof vorgesehen, der jedoch für ein TSB als Inselbetrieb erforderlich wäre. 

Ebenso würde in Am Wegfeld bzw. an der Stadtgrenze Erlangen/Nürnberg ein Umsteigezwang entstehen. Solche Umsteigezwänge können auf Grund der geringen Attraktivität zu einer Halbierung der Nachfrage führen. [Zbikowski 2002, S. 8 - S. 9.]

Fazit

In Erlangen würde die Einführung eines TSBs auf Grund der höheren Baukosten vermutlich keinen positiven Kosten-Nutzen-Faktor erreichen und nicht förderfähig sein. Durch die genannten Nachteile wie die geringere Attraktivität durch den Umsteigezwang und den Eingriff in das Stadtbild hätte Erlangen hiervon deutliche Nachteile gegenüber der Stadt-Umland-Bahn.